Bonsai-Killer 2: Finsteres Verderben
Voller Lebenskraft wollte der Bonsai den Sommer genießen. Doch dann überkam ihn die Finsternis.
In meiner Studienzeit dachte ich ja noch, ich hätte einen grünen Daumen. Am Balkon blühten Kräuter, Tomaten und Blumen. Doch nicht mein Gespür für Pflanzen lies das Grünzeug sprießen – ich hatte schlicht und einfach viel mehr Zeit mich um die Pflanzen zu kümmern.
Seit meinem Eintritt ins Arbeitsleben ging es mit der Lebensdauer der Pflanzen in diesem Haushalt stetig bergab. Während in Studienzeiten eine Minze sogar vier Jahre alt wurde, machten vor wenigen Jahren Blattzikaden einer Artgenossin den Gar aus. Schnittlauch und Petersilie sind voller Blattläuse und am Basilikum laben sich Nachtschleiereulen (trotz dritter Stock und Loggia).
Doch nicht nur den Kräutern geht es schlecht. Auch Bosnais leiden. Der erste der dekorativen Minibäumchen war ein Hochzeitsgeschenk von zwei engen Freundinnen meiner Frau. Er überlebte knapp länger als ein Jahr. Es war ein Teebaum und diese seien empfindlich, erklärte mir ein Bonsai-Experte. Um diese Erfahrung reicher entschied ich mich beim zweiten Bonsai um eine Sukkulente. Also eigentlich ist das ja kein richtiger Bonsai, aber ich wollte nicht noch einmal einen abgestorbenen Baum im Wohnzimmer stehen haben.
Und tatsächlich, das Pseudo-Bäumchen gedieh prächtig und bildete zahlreiche neue Triebe. Das ging so bis in den Juli. Die unglaubliche Hitze zwang uns dazu, die Rollläden in der Wohnung herunterzulassen und alles abzudunkeln. Die fehlende Sonneneinstrahlung sorgte zwar für ein erträgliches Raumklima für uns Menschen, doch dem Bonsai entzog ich nicht-wissend seine Lebensgrundlage.
Immer mehr Blätter fielen ab und langsam begannen, die frischen Triebe abzusterben. Als ich schließlich meinen Fehler erkannte und das Pflänzchen ins Licht stellte, war es zu spät. Immer mehr Blätter fielen, die Triebe hingen nur noch herab und der Stamm war nur noch eine leere Hülle. Und so fand der Bonsai ein feuchtes Grab in der Bio-Tonne.