Die Krise hinter der Krise
Griechenland vor der Pleite, das europäische Bankensystem am Abgrund: Die Negativmeldungen reißen nicht ab. Kein Grund, in Panik zu geraten. In Zeiten des Markt-Wahnsinns lohnt es sich, einen ruhigen Kopf zu bewahren.
Der Euro-Rettungsschirm war noch nicht beschlossen, als Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang der Woche ihre Gangart änderten. Das europäische Schattenkabinett sprach plötzlich offen von einem Haircut für Griechenland. Bis zu 60 Prozent der griechischen Schulden könnten nichtig gestellt werden.
Diese Lösungsidee ist nicht neu. Ich selbst habe sie bereits vor einem halben Jahr gefordert. Doch noch vor einigen Monaten warnten Banken und Ratingagenturen: Ein Haircut würde als Bankrotterklärung Griechenlands gewertet mit schweren Folgen für das Finanzsystem. In Folge waren die EU-Politiker stets bedacht, diese Lösung vehement auszuschließen. Jede gegenteilige Meldung wirkte sich sofort negativ auf den Eurokurs aus.
Doch zu meinem Erstaunen war das diesmal nicht so. Merkels Aussage zu einem Schuldenerlass folgte ein Kurssprung der Gemeinschaftswährung. Innerhalb eines Tages sprang der Euro von 1,34 US-Dollar auf 1,36 US-Dollar. Hintergrund dürften die hervorragenden Exportzahlen Deutschlands sein – die einzig plausible Erklärung.
Dieser Kurssprung hat aber eine zweite Bedeutung, die nicht zu unterschätzen ist: Die Märkte haben den Griechen-Bankrott offenbar bereits eingerechnet. Marktteilnehmer, die mit Euro handeln, sind sich längst bewusst, dass ein Schuldenschnitt kommen muss. Dementsprechend blieb der Schock aus, als diese Möglichkeit ernsthaft in Erwägung gezogen wurde.
Viel wichtiger war das Signal der Exportwirtschaft. Sie zeigt, dass Europas Wirtschaft zwar stottert, aber dennoch läuft. Auch eine weitere Ankündigung dürfte die Märkte beruhigt haben: Merkel und Sarkozy haben umfassende Bankhilfen angekündigt. Die werden auch nötig sein, denn bis zu 180 Milliarden Euro Schuldenerlass sind keine Kleinigkeit.
Für mich zeigt das immer mehr, dass die Eurokrise eigentlich ein Nebenschauplatz der seit 2008 tobenden Bankenkrise ist. Denn es sind die Geldinstitute, die einen Haircut bisher verhindert haben und damit die Eurokrise künstlich in die Länge gezogen haben. Zu groß war die Angst vor weiteren Milliardenverlusten, zu groß die Zahl der Leichen im Keller.
Der Haircut für Griechenland wird kommen. Doch entgegen aller düsteren Szenarien wird es den Euro danach noch immer geben. Nur bei einigen Banken bin ich mir da nicht so sicher.
von Roman Vilgut
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