Griechen-Wahl: Medien zwischen Fiktion und Realität
Griechen haben gewählt und schon wieder steht Europa am Rande einer Katastrophe. Glaubt man vor allem den deutschen Medien, sind Hopfen und Malz verloren. Die Wirtschaft crasht, der Euro fällt, die Börsenkurse sind im Keller. Und schuld sind die Griechen. Schon werden wieder Analysten zum Interview gebeten, Wirtschaftsexperten melden sich zu Wort. Der Tenor „die Griechen müssen aus der Eurozone“.
Ich bin dieses ewige Überdramatisieren leid. Daher biete ich euch hier einen hoffentlich einprägsamen Realitäts-Check.
Medienpanik, die Erste: Die Märkte sind beunruhigt
Fakten: Die Panik der Märkte wegen Griechenland hält sich in Grenzen. Vor der Wahl lagen die Zinsen auf Kreditausfallsversicherungen für zehnjährige Staatsanleihen Griechenlands bei 20,6 Prozent. Drei Tage nach der Wahl ist der Zinssatz um 2,5 Prozent gestiegen. Was für ein Land wie Spanien eine Katastrophe wäre, ist für Griechenland eine Lappalie. Im März lagen die Zinsen noch bei 36 Prozent. Kein Grund zur Panik. Quelle: Bloomberg
Medienpanik, die Zweite: Der Eurokurs leidet
Fakten: Die Schwankungen sind moderat. Am Wahltag lag der Wert des Euros gegenüber dem US-Dollar bei 1,31. Drei Tage später ist die Gemeinschaftswährung knapp 1,30 US-Dollar wert. Betrachtet man die Kurse der letzten sechs Monate, ist das ein guter Mittelwert. Im November 2011 lag der Euro bei 1,37 US-Dollar, im Jänner bei 1,26. Die Kursentwicklung hat allerhöchstens eine Mini-Delle. Der Euro leidet nicht im Geringsten. Quelle: Bloomberg, ftd.de
Medienpanik, die Dritte: Die Börsenkurse sind im Keller
Fakten: Betrachten wir die wichtigsten Indizes, DAX, FTSE und Dow Jones. Der Dax lag am Freitag vor der Wahl bei 6561 Punkten. Drei Tage nach der Wahl knapp unter 6500 Punkten. Ein Minus von rund 60 Punkten oder knapp einem Prozent. Auch hier will ich die vergangenen sechs Monate betrachten. Und siehe da. Im November lag der DAX noch unter 6000 Punkten. Nun zum Dow Jones. Freitag vor der Wahl 13.038 Punkte. Drei Tage nach der Wahl 12.930 Punkte. Schwankung: Weniger als ein Prozent. Vor sechs Monaten: 12.170 Punkte. Und der FTSE? Freitag vor der Wahl: 5655 Punkte. Drei Tage nach der Wahl: 5554 Punkte. Ein Minus von 100 Punkten oder etwas weniger als zwei Prozent. Im November hatte der FTSE einen Punktestand von 5127. Nach einem Börsencrash in Folge der Griechenlandwahl sieht das nicht aus.
Medienpanik, die Vierte: Die einzige Rettung ist der Ausstieg Griechenlands aus dem Euro
Fakten: Interessant ist, dass dieser Punkt immer wieder von US-amerikanischen Ökonomen gebracht wird. Der einzig namhafte Europäer, der das fordert, ist Hans-Werner Sinn. Er müsste eigentlich genau wissen, dass dieser Weg viel teurer ist als alles, was die EU bisher gemacht hat und noch machen wird. Der Grund dafür bedarf eines kurzen Ausritts in die ökonomische Theorie.
Woher kommt diese Idee?
Sie ist Teil der klassischen Ökonomie. Diese Wissenschaft betrachtet Zusammenhänge im Wirtschaftsleben anhand theoretischer Modelle. Um zu validen Ergebnissen kommen zu können, werden allerdings stets nur weniger Faktoren berücksichtigt. Der Rest wird ausgelassen. Das führt dazu, dass Ökonomen stets nur mit geschlossenen Volkswirtschaften rechnen. Störende Einflüsse, wie Außenhandel, Reisefreiheit und ähnliches wird ausgelassen. In solch einer geschlossenen Volkswirtschaft führt die Abwertung einer Währung theoretisch zu mehr Wachstum, weil der Faktor Arbeit dadurch verbilligt wird.
Die Realität ist allerdings eine andere.
Denn Griechenland ist keine autarke Volkswirtschaft. Griechenland betreibt Außenhandel, die Menschen haben ein Niederlassungsrecht in der gesamten EU und dürfen auch ihr Geld überall anlegen.
Das beste Beispiel, was geschieht, wenn Griechenland eine neue Währung einführt und diese abwertet, ist Ungarn. Das Nachbarland Österreichs hat ähnliche Probleme wie die Griechen. Zu viele Schulden, eine stagnierende Wirtschaft. Die Regierung hat daraufhin den Forint stark abgewertet. Was hat es gebracht? Nichts. Die Wirtschaft ist nicht in Fahrt gekommen, es wird weiterhin nicht investiert. Warum? Weil alle, die Geld haben, dieses ins Ausland transferieren. Ein weiterer Grund: Menschen mit guter Ausbildung wandern in Ländern ab, in denen sie vernünftig bezahlt werden.
Wenn Griechenland wieder die Drachme einführt, würde sich Ähnliches ereignen. Die Griechen, die gut ausgebildet sind und die volle Niederlassungsfreiheit in der EU haben, würden auswandern. Alle Griechen, die Sparbücher haben, würden das Geld in den Euroraum transferieren. Griechenlands Banken würden in Konkurs gehen und müssten gerettet werden. Hinzu kommt, dass die Griechen die Staatsschulden weiterhin in Euro zurückzahlen müssen. Die Schulden würden durch die Abwertung nicht sinken.
Fazit
So bitter es klingen mag: Griechenland muss in der Eurozone bleiben, und wenn wir diese Krise lösen wollen, müssen wir weiterhin Geld schicken. Diesmal nicht in Form von billigen Krediten, sondern als Direktinvestitionen in die griechische Wirtschaft, als Marshallplan.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen meiner Tätigkeit für Kleine Zeitung Digital. Es gilt österreichisches Urheberrecht. Die Verwertungsrechte liegen bei Kleine Zeitung Digital.