Motorola-Deal: Für Google weit mehr als ein Patentkauf
Google ist immer wieder für Überraschungen gut. Der Kauf von Motorola Mobile war so eine. Die Fachwelt hatte schnell die Erklärung für das 12,5-Milliarden-Dollar-Investment: Patente. Doch dahinter steckt noch mehr.
Ende Juni wurde eines der wichtigsten Patentpakete dieses Jahrhunderts versteigert. Es ging um die Technologie des Unternehmens Nortel – ein kanadischer Telekomausrüster, der seit 2009 in Insolvenz ist. Da diese Patente den Mobilfunkmarkt stark prägen, war klar, dass es zu einem regelrechten Bieterwettstreit kommen würde. Auf der einen Seite stand ein Konsortium aus Apple, Microsoft und weiteren Partnern, auf der anderen Google.
Bei umgerechnet 3,1 Milliarden Euro stieg der Internetgigant aus dem Rennen aus. Apple und Co. hatten gewonnen. Die Fachpresse war von dem Schritt ziemlich schockiert. Einige sprachen von dem Ende von Android. Es wurde prophezeit, dass die Hersteller von Android-Geräten mit Klagen überzogen würden. Einige nannten es den größten strategischen Fehler Googles.
Mir kam das von Anfang an spanisch vor. Ein Konzern, wie Google, würde nie den Fehler machen, eines seiner besten Produkte so im Regen stehen zu lassen. Und prompt: Knapp sieben Wochen später, gibt Google den Kauf von Motorola bekannt. Das Unternehmen hat nicht nur das erste Handy auf den Markt gebracht. Es besitzt auch 12.500 Patente – 7.500 weitere sind angemeldet – vornehmlich Mobilfunktechnologie. Laut dem Investor Carl Icahn sind diese sogar wertvoller als das Nortel-Paket.
An der Patentfront ist nach diesem Kauf also ruhe. Aber das ist längst nicht der einzige Grund, warum Google Motorola gekauft hat. Ich spreche jetzt nicht von der Handy-Sparte. Google wird sich hüten und seine Partner LG, Sony, Samsung und HTC nicht vor den Kopf stoßen – Motorola bleibt ja ein eigenständiges Unternehmen und wird daher gleich behandelt werden, wie alle anderen.
Wovon ich spreche, ist Home Entertainment. Motorola Mobile stellt neben Handys nämlich auch Set-Top-Boxen her. Googles erster Versuch mit der Logitech Revue in den TV-Markt einzusteigen ging gründlich schief. Das Marktpotenzial war zu klein und die Hollywoodstudios trauten dem Konzern nicht über den Weg. Mit der Produktpalette von Motorola könnte sich das bald ändern und der Einstieg in den milliardenschweren TV-Markt doch noch gelingen.
Und so hat Google mit dem Kauf von Motorola gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wie im Kalten Krieg sind nun Google und Apple mit genug „Waffen“ ausgerüstet – es entsteht ein Gleichgewicht der Kräfte. Doch zusätzlich hat sich Google eine Tür in einen neuen Markt gekauft: Fernsehen.
von Roman Vilgut
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