Rettet unser Europa
Die Terroranschläge von Paris lassen auch mich fassungslos zurück. Seit Monaten strömen Menschen nach Europa auf der Flucht vor den faschistischen Terrortruppen des IS. Jetzt wird mein Europa zum Ziel dieser Mörder. Ich habe ernsthaft Sorgen, ob wir es schaffen, dieses offene und freie Europa auch für die kommenden Jahre zu erhalten.
Ich bin ein glühender Befürworter des freien Europas und der EU. Ich bin auch der Meinung, dass wir noch mehr Europa und weniger Nationalstaat brauchen. Der Grund: Ich habe die Transformation dieses Europas erlebt. Und je dichter die Staaten zueinander gerückt sind und je mehr auf europäischer Ebene entschieden wurde, um so besser wurde das Leben hier.
Meine Kindheit verbrachte ich in einem ganz anderen Europa. In einem gespaltenen Kontinent, in dem Filme wie „War Games“ als realistisches Szenario galten. Einem Europa, in dem Rekruten des österreichischen Bundesheers im Umgang mit nuklearer Verstrahlung geschult waren. Einem Europa, in dem zwei hochgerüstete und verfeindete Blöcke sich gegenüberstanden – mittendrin das kleine neutrale und hilflose Österreich.
In meiner Jugend wandelte sich dieser Kontinent. Der Stacheldraht wurde durchschnitten. Die Bedrohung im Osten war verschwunden. Es wurde gemeinsam gefeiert. Aus Feinden wurden Freunde. Und Österreich als Keimzelle dieser Entwicklung wurde Teil etwas Größeren.
In meiner Studentenzeit legte ich meine Identität als Österreicher nieder. Schon früh begann ich, mich als Europäer zu begreifen. Österreich hat für mich den selben Stellenwert, wie für einen US-Amerikaner Texas oder Kalifornien. Und dieses Europa wurde größer. Aus 15 EU-Staaten wurden 27. Aus einer reinen Wirtschaftsunion mit Pro-Forma-Parlament wurde eine politische Union mit zwei gewählten Volksvertretungen als Legislative – dem EU-Parlament und dem EU-Rat. Die Grenzkontrollen rund um Österreich waren Geschichte, eine gemeinsame Währung verbindet die Wirtschaftsräume.
Seit über zehn Jahren stehe ich im Berufsleben und erkenne, dass dieses Europa, diese EU, noch nicht dort ist, wo sie sein muss. Als Europäer bin ich noch immer in der Minderheit unter all den Nationalstaaten-Bewohnern. Die Zeit wird das schon richten. Auch die Schuldenkrise konnte diese EU managen – mit viel Ach und Weh und hart ausgehandelten Kompromissen. Aber so funktioniert diese Union nun einmal.
Doch seit dem Frühjahr sehe ich eine in Schockstarre verfallene Politik. Die Flüchtlingskrise ist zur Krise der EU geworden. Die handelnden Akteure denken bis auf einige Wenige in Zäunen. Freiheit macht ihnen Angst, sobald sie für andere gelten soll.
Nun kommt diese Terror-Bande namens IS nach Europa und tötet über 150 Unschuldige in Paris. Nun sehen wir, vor wem all diese Menschen fliehen. Wie damals unter den Nazis werden alle niedergemetzelt, die nicht dem irrsinnigen Weltbild der selbst ernannten Gotteskrieger folgen. Und diese Verknüpfung einer menschenverachtenden Anschauung mit Religion macht es noch schlimmer. Die Angst vor dem Islam wird geschürt und immer mehr sehen in den Flüchtlingen Terrorschergen. Ähnliches geschah auch im Zweiten Weltkrieg. Wer von den Nazis flüchtete, stand im Ausland im Verdacht, selbst einer zu sein und in den USA wurden Tausende japanisch-stämmige Amerikaner eingesperrt.
Ich will so etwas nicht erleben. Ich will nicht, dass sich Europa einigelt und angsterfüllt in jedem Fremden nur den Feind sieht. Ich will, dass dieses Europa offen bleibt. Das Europa des 21. Jahrhundert muss besser sein, als jenes des Kalten Krieges.
Daher fordere ich alle, die das lesen auf: Rettet unser Europa!